Wie komme ich auf dieses Thema und warum wollte ich schon immer darüber zu schreiben?
Ich schreibe über dieses Thema, weil mich zwei Erkenntnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten sehr erstaunt hatten. Auf einem Neuroscience Kongress, der jährlich in den USA stattfindet, ging ich durch die Poster Session und blieb vor einem Poster stehen, das die Verteilung des Estrogen-Rezeptors im Rattengehirn zeigte. Dieser Rezeptor bindet das Geschlechtshormon Estrogen. Die Ratte ist ein Säugetier und die meisten molekularen Prozesse sind denen von Menschen sehr ähnlich. Der Rezeptor befand sich in Nervenzellen in beinahe allen Regionen des Gehirns. Wieso, wirkt das Hormon Estrogen, das dafür bekannt ist, dass es bei Frauen die Fruchtbarkeit regelt, im Gehirn und wieso an so vielen Orten? Viele Jahre später wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigte, dass der Estrogenrezeptor an mehr als 20.000 Stellen im Genom bindet und damit Einfluss auf die Regulation vieler Gene nimmt. Mit ‘Regulation’ ist gemeint, dass Gene an- oder ‘ausgeschaltet werden und ‘weniger’ oder ‘mehr’ Transkript (RNA) synthetisiert wird (Prozess der Transkription). Ich füge unten eine Illustration ein.
Begriffe:
1. Genom: die Gesamtheit der DNA, die sich beim Menschen auf 23 Chromosomen verteilt. Bezeichnet die Information, die in der DNA kodiert ist.
2. Trankription: der Prozess Gene in RNA umzuschreiben. Warum RNA? Weil diese aus dem Zellkern hinaus transportiert werden kann und im Zytoplasma als Vorlage für die Synthese eines Proteins dient. Der Blogartikel 'Gene und Gentherapie - Teil 1' erklärt und illustriert diesen Vorgang.
Nun erstmal die Grundlagen: Zwei Arten von Hormonen - und wieso ‘Rezeptor’?
Erstmal grundsätzlich, ein Hormon allein tut nichts, es arbeitet mit einem Partner, an den es bindet. Der sogenannte Bindungspartner ist ein Rezeptor, der nur zu diesem Hormon passend ist. Die Eigenschaft von Hormonen ist, dass sie diffundieren können, sie werden von den Hormondrüsen, die vom Gehirn kontrolliert werden, ausgeschüttet und über das Blut im Körper verteilt. Treffen sie auf ihren Partner, aktivieren sie diesen dafür eine Funktion auszulösen. Es gibt zwei Klassen von Hormonen und deshalb auch zwei Klassen von Rezeptoren. Nennen wir es System 1 und System 2.
Hormone binden an Rezeptoren auf der Oberfläche von Zellen
System 1 verwendet größere Moleküle. Die Hormone können nicht in die Zelle hinein, sondern sie binden an ihren Rezeptor, der auf der Zelloberfläche verankert ist. Geschieht dieses, dann erfährt der Rezeptor eine kleine Formveränderung, die dem Zellinneren ein Zeichen gibt, eine bestimmte Funktion umzusetzen. Der Übertragungsprozess vom Signal außen in die Zelle hinein wird Signaltransduktion genannt. Im Zellinneren wird das Signal über Formveränderungen und Aktivierungen mehrer Proteine weitergegeben und dieser Prozess heißt Signalkaskade.
Steroidhormone gehen in den Zellkern und binden hier an ihren Rezeptor
System 2 verwendet sehr kleine Moleküle. Auch diese Hormone, Steroidhormone genannt, werden von den Hormondrüsen hergestellt und ins Blut abgegeben. Sie gelangen durch die Membran von Zellen hindurch. Ihre Bindungspartner, die Steroidrezeptoren, finden sie im Zellplasma oder auch im Zellkern. Durch die Bindung wird der Steroidrezeptor aktiviert und kann an Stellen, die speziell für ihn vorgesehen sind, an die DNA binden.
Wie beeinflussen Steroidhormone die Aktivität von Genen?
Alle Steroidrezeptoren sind also DNA-bindende Proteine, welche man Transkriptionsfaktoren nennt. Steroidrezeptoren ordnen sich in die große Familie der Kernrezeptoren (Nukleäre Rezeptoren) ein, sie alle sind Transkriptionsfaktoren, also regulatorische Proteine, die durch ihre Bindung an die DNA die Transkription von Genen aktivieren oder vermindern.
Hier illustriere ich Genregulation. Gezeigt ist ein schematischer Ausschnitt einer genomischen DNA mit zwei Genen, die durch die Bindung von Transkriptionsfaktoren aktiviert werden. Dadurch kann das Enzym, das die DNA als RNA abschreibt binden und den Strang synthetisieren.
Die Wirkung von Steroidhormonen
Die meisten Steroidhormone lassen sich in die fünf großen Klassen einordnen: Gestagene, Estrogene, Androgene sowie Glucocorticoide und Mineralocorticoide, die als Corticosteroide zusammengefasst werden.
Sie haben sicherlich die ‘Gestagene’ und ‘Estrogene’ erkannt, die als weibliche Geschlechtshormone in der Pille für die Empfängnisverhütung eingesetzt werden. Die Geschlechtshormone, wozu auch die Androgene gehören, bringen einerseits das weibliche und männliche Geschlecht in der Entwicklung des Embryos hervor und regulieren andererseits die Fruchtbarkeit und körperliche Erscheinung im Erwachsenenalter. Wie ich in meiner Einleitung aber schon darauf hingewiesen habe, kontrollieren diese Steroide auch andere Prozesse. Die Produktion findet zum größten Teil in den Geschlechtsdrüsen statt. Eierstöcke produzieren Progesteron und Estrogen und Hoden produzieren Testosteron. Wenn diese im Alter ihre Funktion vermindern und bei der Frau sogar einstellen, dann werden die Hormone nur noch in der Nebennierenrinde produziert. Von den Geschlechtshormonen gibt es auch synthetische Formen, die therapeutisch oder zur Empfängnisverhütung eingesetzt werden.
Steroidhormone kontrollieren die Stressantwort des Gehirns
Corticosteroide (Glucocorticoide und Mineralocorticoide) werden in der Nebennierenrinde produziert und regeln grundsätzlich Zellstoffwechselprozesse. Schauen wir uns die Stressantwort des Gehirns an. Ein Reiz von außen wird im Gehirn verarbeitet und das Gehirn entscheidet: dies ist Gefahr und Aufforderung zur Handlung. Dann wird aus der Hypophyse ein Signalmolekül ins Blut abgegeben, das die die Nebennierenrinde anregt das Stresshormon Cortisol auszuschütten. Cortisol ist ein Glucocorticoid, es ist das Hormon, das dem Körper ‘Stress’ vermittelt, aber auch grundlegende Organfunktionen sichert, indem es den Grundumsatz anregt. Cortisolspiegel im Blut sind natürlicherweise in den frühen Morgenstunden am höchsten, wenn der Körper auf Aktivität vorbereitet wird. In einer vom Gehirn als gefährlich beurteilten Situation wird Cortisol ausgeschüttet und dies aktiviert verschiedene Organe dazu ihren Stoffwechsel zu erhöhen, um eine Flucht oder angemessende körperliche Reaktion zu ermöglichen. Chronischer Stress führt zu erhöhten Cortisol-Spiegeln und hat längerfristige körperliche Auswirkungen.
Steroidhormone schalten Programme von Zellen ‘an’ und ‘ab’
Weil die Rezeptoren der Steroide DNA-bindende Transkriptionsfaktoren sind, haben sie übergeordnete Effekte, denn ‘Gene’ zu regulieren kann auch bedeuten ‘genetische Programme’ zu regulieren. Es hängt nur davon ab was das für ein Gen ist, das durch einen Steroidrezeptor aktiviert oder gehemmt wird. Ist es ein Gen, das für ein Protein kodiert, das die Aktivität weiterer Gene kontrolliert, dann kann man sich einen Schneeballeffekt vorstellen, in welchem einzelne Steroide weitreichende Prozesse aktivieren. Zwei Beispiele hierfür sind: (1) das Programm ‘Entzündungsreaktion unterdrücken' oder (2) das Program ‘Überleben der Zelle’ aktivieren und damit die Degeneration von Nervenzellen zu verhindern. In der Tat gelangen die Steroidhormone ins Gehirn, weil sie die durch die Blut-Hirn-Schranke gehen können. Für Progesteron und Estrogen wurden entzündungshemmende und die Nervenzellen schützende Funktionen nachgewiesen. Geschlechtshormone steuern auch Verhaltensweisen. Tiermodelle liefern häufig wichtige Hinweise auf die Funktionen.
Zusammenfassung über Steroidhormone
Steroidhormone sind eine Art von Hormonen, die in die Zelle hineingelangen und im Zellplasma oder im Zellkern auf ihren Rezeptor treffen und an ihn binden. Die Bindung bewirkt eine Formveränderung des Steroidrezeptors, so dass dieser an die DNA binden kann und zwar an die Stellen zu denen er passend ist. Diese können sehr zahlreich sein - beim Estrogenrezeptor sind es über 20.000 Bindungsstellen. Erfolgt die Bindung an wesentlichen genregulatorischen DNA-Sequenzen, dann werden Gene, die dadurch reguliert werden, vermehrt oder vermindert abgeschrieben in RNA (Transkription heißt der Vorgang). Wenn die RNA für ein Protein kodiert, dann resultiert dies normalerweise in vermehrter oder verminderter Synthese eines Proteins. ‘Weniger’ oder ‘mehr’ eines Enzyms kann beispielsweise den Stoffwechsel verändern. ‘Weniger’ oder ‘mehr’ Verfügbarkeit eines Proteins, das als Baustein der Zelle verwendet wird, kann in Veränderungen im Zellstoffwechsel oder im Bau von Zellen resultieren. ‘Weniger’ oder ‘mehr’ kann auch darüber entscheiden ob ein bestimmtes Programm aktiviert wird (z. B. Entzündungshemmung oder Zellschutz). Geschlechtshormone steuern nicht nur Entwicklung und Fruchtbarkeit, sie haben auch weitreichendere Funktionen im Gehirn und anderen Organen.
Schlussworte für Sie
Steroidhormone spielen bei Erkrankungen eine Rolle und werden als Therapeutika verwendet. Behalten Sie im Sinn: Falls die Nebennierenrinde nach der Menopause nicht ausreichend Hormone produziert, dann ist es sinnvoll das (oder die) fehlende(n) Hormone zuzuführen. Ein Arzt kann Blutanalysen für Sie durchführen lassen - der Facharzt wird ‘Endokrinologe’ genannt, häufig ist das eine Zusatzausbildung von Gynäkologen/-innen oder Internisten/-innen). Beispielsweise gibt es Estradiol (Estrogen) als Gel oder Tabletten, Progesteron und DHEA-S (ein Androgen) sind in Form von Kapseln erhältlich. Hier meine ich nicht die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden, sondern eine Gesunderhaltung des Körpers, die gefährdet ist, falls die Steroidhormone nicht ausreichend produziert werden. Dies kann Frauen und Männer gleichermaßen betreffen und kann vorkommen, falls die Funktion der Nebennierenrinde ab dem mittleren Alter abnehmen sollte. Hier vor allem im Sinn zu behalten, dass die Gestagene eine Schutzfunktion für Nervenzellen haben und dass dieser Sachverhalt eben auch hinsichtlich der Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen wichtig sein kann. Hier gilt es sich dann gegebenenfalls genauer zu informieren.
Comments